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Weihnachten – Essen im Sinne des Festes der Liebe?

In wenigen Tagen ist Weihnachten und wenn es die aktuelle -Pandemie erlaubt, trifft man sich im Kreise der Familie, um das Fest der Liebe zu feiern. Weihnachten ist auch das Fest der vollen Mägen und die Tische werden reich mit deftigen Gerichten und süßem Weihnachtsgebäck gedeckt. Im Rahmen einera Umfrage zur Ernährungsweise in der Weihnachtszeit 2019 gaben 56 % von 1.000 Bundesbürger*innen an, dass Fleischgerichte zu einem Festtagsessen dazugehören. Auch wenn 15 % der Befragten angaben, an Weihnachten auf eine fleischhaltige Mahlzeit zu verzichten, isst die Mehrheit der Studienteilnehmer*innen zum Fest der Liebe gewaltsam getötete Tiere.

Dieses Beispiel zeigt, dass sich die zu Weihnachten vermeintlich allgegenwärtige Nächstenliebe nicht an alle auf der Erde lebenden empfindungsfähigen Wesen richtet, vielmehr ist das Fest der Liebe zuallererst dem Menschen vorbehalten. Tatsächlich legen wissenschaftliche Aussagen nahe, dass monotheistische Religionen wie das Christentum "zutiefst anthropozentrisch sind, da sie davon ausgehen, dass der Mensch einen höheren spirituellen und moralischen Wert und eine besondere irdische Autorität besitzt, weil nur der Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde."

Dieses Gefühl der Überlegenheit, welches zu einer Kluft zwischen menschlicher und nichtmenschlicher Natur führt, ist in unserer Gesellschaft als Speziesismus sichtbar. Die Nichtregierungsorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) definiert Speziesismus als "die Annahme, der Mensch sei anderen Arten überlegen und hätte daher das Recht, sie nach ihrem "Nutzen" für sich einzuteilen. Wir sprechen den Tieren dabei ihre Bedürfnisse ab, weil wir das Wohl des Menschen höher bewerten und uns allen anderen Lebewesen überlegen fühlen." Aufgrund der in vielen Teilen der Gesellschaft vorherrschenden anthropozentrischen Weltsicht räumen wir der menschlichen Spezies das ausschließliche Recht ein, nichtmenschliche Natur zu beherrschen, zu manipulieren und auszubeuten und sehen den Wert von Natur vor allem darin, ausschließlich dem Wohlergehen der Menschen zu dienen. Durch unsere Ernährungsweise und Lebensmittelproduktion degradieren wir Tiere zu Nutztieren, die Menschen Fleisch und Milch liefern. In Deutschland werden beispielsweise täglich 2 Millionen Tiere getötet. Im Durchschnitt aß jeder Deutsche im Jahre 2018 43 kg Fleisch von Schweinen, 18 kg Geflügel und 15 kg Rindern. Betrachtet man diese Zahlen im Rahmen des Speziesismus, so wird deutlich, dass es auch Unterschiede gibt, für welche Tierarten wir Mitleid empfinden und welche wir diskriminieren und gewaltsam ausbeuten. Speziesismus tritt also auch auf, wenn wir unseren Hund oder unsere Katze streicheln, während wir eine Kuh oder ein Schwein töten und essen. Und macht es uns nicht traurig und betroffen, wenn man sieht wie in anderen Kulturen tatsächlich Katzen und Hunde gegessen werden? Warum ist Empathie nur für unsere geliebte Katze oder unseren geliebten Hund reserviert? Warum fühlen wir am Esstisch kein Mitgefühl für die vermeintlichen Nutztiere, die als fühlende Wesen als Schnitzel oder Steak auf unseren Tellern landen?

Warum lieben wir Hunde und diskriminieren andere Tiere?

In aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen wird die Forderung nach Gleichberechtigung immer lauter, etwa zwischen Frauen und Männern, behinderten und nicht behinderten Menschen oder zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. In der Tat sind solche Debatten für die Bekämpfung jeglicher Diskriminierung wie Rassismus oder Sexismus von entscheidender Bedeutung. Im Kontext der aktuellen ökologischen Krise sollte eine solche Debatte aber auch die Frage adressieren, wie wir nichtmenschliche Natur in unsere Rechtsgemeinschaft integrieren und unser anthropozentrisches Verständnis von Mensch-Naturbeziehungen überwinden können.

Für resonante Beziehungen sieht Hartmut Rosa die Notwendigkeit, dass in einer Beziehung beide Entitäten mit eigener Stimme sprechen. Überträgt man diese Voraussetzung auf eine resonante Beziehung zwischen uns und den Tieren, die wir essen oder dessen Milch wir trinken, so setzt eine responsive Beziehung voraus, dass wir die Nichtverfügbarkeit der Tiere respektieren und somit ihren Eigenwert, ihre Empfindungsfähigkeit, Würde und Intelligenz anerkennen. Jüngste Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass Schweine eine Reihe von kognitiven Fähigkeiten mit anderen hochintelligenten Arten wie Hunden oder Schimpansen teilen. So sind Schweine beispielsweise in der Lage, eine symbolhafte Sprache zu verstehen und bevorzugen als soziale Tiere vertraute gegenüber fremden Personen. Aktuelle Forschung zeigt ebenfalls, dass im Zuge der Trennung von Mutter und Kalb während der Milchproduktion Kälber an chronischem Stress leiden. Wissenschaftler*innen konnten darüber hinaus bei Fischschwärmen ein soziales Verhalten und die Entstehung kultureller Traditionen beobachten. Alles in allem laden uns diese Studien dazu ein, unseren Speziesismus zu überdenken und zu erkennen, dass sich vermeintliche Nutztiere nicht grundlegend von Haustieren oder sogar von uns selbst unterscheiden. Wenn also das Fest der Nächstenliebe nicht am Esstisch enden soll, sollten wir nicht vergessen, dass alle Tiere das Recht haben sich zu entfalten, nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über.

Ein sehr wirksamer Weg, um der Diskriminierung und Unterdrückung von Tieren und der Gewalt gegen sie entgegenzuwirken, ist eine vegane Lebensweise, die als eine Partnerschaft zwischen Mensch und Natur verstanden werden kann. Die Entscheidung für eine vegane Lebensweise und damit für den Verzicht auf den Konsum jeglicher tierischer Produkte kann eine Entscheidung des Herzens und des Verstandes sein. Wer sich vegan ernährt, spart täglich 5.000 Liter Wasser, fast 3 Quadratmeter Wald, 18 kg Getreide und 9 kg CO2. Das heißt, Veganismus ist nicht nur eine Entscheidung für sich selbst, sondern auch für einen nachhaltigen und gesunden Planeten. In Anbetracht der aktuellen sozial-ökologischen Krise ist eine vegane Ernährung daher auch ein Akt der Solidarität und der sozialen Gerechtigkeit, der sich positiv auf die Bekämpfung der Hungerkrise, des Klimawandels und der Ressourcenausbeutung auswirkt. Wenn sich alle Menschen auf der Welt vegan ernähren würden, gäbe es genug Nahrung für 4 Milliarden Menschen mehr, da die Ressourcen und Anbauflächen, die für die Fleischproduktion benötigt werden, direkt für den Anbau von Pflanzen genutzt werden könnten, die der Ernährung der Menschen zugutekommen. Was aber wahrscheinlich am meisten beeindruckt, ist die Tatsache, dass durch eine vegane Ernährung jeden Tag ein Tierleben gerettet wird.


Selbstgemachter veganer Weihnachtsbraten

Natürlich ist es in unserem derzeitigen Nahrungsmittelsystem nicht immer einfach, sich vegan zu ernähren. Eine vegane Ernährungsweise ist mit strukturellen Hindernissen verbunden, die es zu überwinden gilt, beispielsweise wenn man mit deinen Kolleg*innen zu Mittag isst, die Cafeteria aber keine veganen Optionen anbietet, oder wenn man auf einer Geschäftsreise ist und schnell eine gesunde Mahlzeit braucht, aber nur tierische Gerichte verfügbar sind. Die Entscheidung, vegan zu leben, bedeutet manchmal auch emotionaler Stress, beispielsweise wenn man sich von den schrecklichen Bedingungen in der konventionellen Tierhaltung berühren lässt oder man sich belastenden Gesprächen über Ernährung mit seiner Familie und seinen Freunden stellt. Veganer*in zu sein ist an Weihnachten oft eine schwierige Zeit, in der man mit einem inneren Zwiespalt zwischen der Nächstenliebe zur eigenen Familie und der Traurigkeit für die Tiere, die zuhause gegessen werden, konfrontiert wird. Dabei ist es gar nicht so kompliziert, leckere und festliche vegane Weihnachtsgerichte zu zaubern. Im Internet findet man eine Reihe von leckeren Rezepten für Haupt- und Beilagengerichte sowie Desserts:

Wenn wir also zu Weihnachten Nächstenliebe mit anderen Menschen teilen, ist es dann nicht auch unsere Pflicht, unsere Liebe auf die nichtmenschliche Natur auszudehnen? Ob dies nun durch christliche oder durch andere gesellschaftliche Werte motiviert ist, Freundlichkeit und Fürsorge gegenüber allen Lebewesen auf der Erde zeugt von einer universellen Gerechtigkeit. Letztlich ist Weihnachten auch das Fest der Hoffnung. Im Kontext der Mensch-Natur-Resonanz hoffen wir, mit unserem Forschungsprojekt einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte über Gerechtigkeit und Speziesismus zu leisten, indem wir Beziehungsqualitäten wie Empathie und Fürsorge für Mensch-Natur-Partnerschaften fördern, die auch unsere Teller erreichen.


Autorinnen: Martina Artmann & Mabel Killinger

Wenn Du weitere Anmerkungen oder Fragen zum Essay hast, bist Du herzlich eingeladen, die Autorinnen zu kontaktieren (m.artmannioer@ioer.de, m.killingerioer@ioer.de).

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